Die geschichtliche Entwicklung des Rittergutes Kleingera

Die geschichtliche Entwicklung des Rittergutes Kleingera

Rittergut Kleingera

Rittergut Kleingera

Das Kleingeraer Rittergut hat eine lange und ereignisreiche Geschichte. Die genaue Zeit der Erbauung ist nicht bekannt. Jedoch zeugen die dicken Mauern und die Kellergewölbe von einem hohen Alter.

Erwähnt wird es erstmals 1448 als Vorwerk, welches der Kurfürst Friedrich von Sachsen an Heinz von Wolframsdorf leiht.

1545 ist die Familie von Bünau, die bereits 1480 in Kleingera Fuß fasst, im Besitz des ganzen Dorfes. 1632 brannte das Herrenhaus bis auf die Grundmauern nieder und wurde wieder aufgebaut.

1759 geht das Gut an Heinrich Adolf von Beust, Oberstleutnant und Kreiskommissar im Vogtland.

1786 kauft Johann Gottfried  Döhler das  Kleingeraer Rittergut. Bis heute erhalten sind seine geschichtlichen Auslassungen zum Thema.

Nach Döhlers Tod im Jahre 1869 wird das Rittergut an den Kaufmann Victor Löbering aus Plauen verkauft.

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1906 erwirbt  Paul Speck, ein Kaufmann aus Auerbach, das Anwesen und lässt das Herrenhaus durch einen Anbau an der Gartenseite umgestalten. Anschließend übernimmt sein Sohn Victor den Besitz. 1945 wurde die Familie Speck enteignet und aus der DDR ausgewiesen.

Der Gutshof mit seinen Wirtschaftsgebäuden wird im Zuge der Bodenreform in
5 Neubauernhöfe zergliedert.

Auf Beschluss der Landesbodenkommission im März 1948 soll das Herrenhaus abgerissen werden. Doch Bürgermeister, Gemeinderäte und Einwohner lassen das nicht zu.

Im Haus entstehen 11 Wohnungen. Im Erdgeschoss werden der Kindergarten und der Schulhort untergebracht. Später zieht das Gemeindeamt  ein.

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Hinter dem Gut liegt der so genannte Küchenteich mit einer kleinen Insel, auf der eine mächtige Weide thront. Es handelt sich dabei um den Rest einer alten Wallanlage, wie sie als Befestigung für slawische Zufluchtsstätten mit Palisaden üblich waren. Dieser Teich und die angrenzende Streuobstwiese zählen noch immer zu den idyllischsten Plätzen Kleingeras.

In den vergangenen 17 Jahren verschlechterte sich die Situation für das alte Herrenhaus, das sich in kommunalem Besitz befindet, zusehends. Nach der Eingemeindung Kleingeras in die Stadt Elsterberg 1994 entfiel die Nutzung des Gemeindeamtes. Auch der Kindergarten wurde 1998 geschlossen. Nach und nach verließen in den Folgejahren die Mieter das Haus, da seitens der Stadt keine nennenswerten Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden.  Seit 1999 machten sich Ortschaftsräte für das Rittergut stark – leider bislang ohne Ergebnis.

Um die traditionsreiche Geschichte  und  das Wahrzeichen des Ortes zu erhalten,  gründete sich am 11. März 2010 der Verein zur Erhaltung des Rittergutes Kleingera. Er setzt  große Hoffnungen auf die Unterstützung seitens der Stadt Elsterberg, die in anderen Ortsteilen gezeigt hat, dass sie durchaus an der Erhaltung historisch wertvoller Gebäude interessiert ist.

l003Aus Sicht des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen stellt die Gesamtanlage des ehemaligen Rittergutes Kleingera als vormaliger Vierseithof, der erstmals  1448 urkundlich als Rittersitz erwähnt ist, zusammen mit dem Park und der mittelalterlichen Ringwallanlage ein architektonisch und denkmalpflegerisch wertvolles Ensemble von besonders herausgehobener Bedeutung dar. Zudem hebt das Landesamt für Denkmalpflege in seinen Bewertungen der Bedeutung des Objektes  hervor, dass sich das Rittergut Kleingera auf Grund seines guten Gesamterhaltungszustandes deutlich von zeitgleichen noch erhaltenen Rittergütern des Vogtlandes abhebt.

Freie Presse-Sommertour 2018

700 Besucher aus ganz Sachsen kamen am 21. Juli 2018 ins Rittergut Kleingera, um von den Mitgliedern des Fördervereins zum Erhalt des Gutes mehr über dessen wechselvolle Geschichte zu erfahren. Vor allem die Berichte über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg rührten die Besucher an. Eingeladen zu diesem Event hatte neben dem Förderverein auch die Freie Presse. Die Tageszeitung stellt ihren Lesern jeden Sommer an vier aufeinander folgenden Wochenenden vier „unentdeckte Orte“ vor, um diese Orte bekannter und auf deren Schicksal aufmerksam zu machen. Das Rittergut Kleingera machte 2018 in dieser Veranstaltungsreihe den Auftakt.

1906 hatte eine englische Familie mit Namen Speck das Rittergut in Kleingera übernommen. Sein Geld hatte der erste Speck’sche Gutsbesitzer Paul als Tuchmacher in Auerbach verdient, das Gut dann als Wohnort für seine Familie erworben. Während sein ältester Sohn Victor, der Gutserbe, der im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Deutschen kämpfte und anschließend in russische Kriegsgefangenschaft geriet, verstarb Paul Speck. Seine Frau Anni ging mit den übrigen Kindern zurück nach England. Das Gut warf unter einem Verwalter keine guten Erträge mehr ab, so dass Victor Speck nach seiner Rückkehr ins Zivilleben alle Hände voll zu tun hatte, um das Gut wieder wirtschaftlich zu führen. Das Bemühen war erfolgreich.

Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, nach dessen Ende die Familie Speck enteignet wurde. Kleingera lag damals in der sowjetischen Besatzungszone. Specks wurden verhaftet, auf einen Eisenbahn-Treck gebracht, zusammen mit allen anderen vogtländischen Rittergutsbesitzern, die man zu diesem Zweck in Plauen zusammen gezogen hatte. In Dresden gelang der fünfköpfigen Familie aus Kleingera die Flucht, während der Zug einen mehrstündigen Aufenthalt hatte. So wurden Specks nicht wie die anderen vogtländischen Gutsbesitzer nach Rügen deportiert. In ein Lager kamen Specks dennoch – in der Nähe von Hannover. Victor Speck, der noch einen englischen Pass hatte, wurde nämlich auch in der britischen Besatzungszone kritisch beäugt. Wurde ihm doch vorgeworfen, mit Betreiben der Landwirtschaft auf einem deutschen Gut die Nazis unterstützt zu haben. Erst nach jahrelangem Lagerleben wurde Victor Speck, seiner Frau und zwei Kindern die Ausreise nach England ermöglicht. Dort gründete Speck einen kleinen Textilhandel, der ihm den Lebensunterhalt sicherte.

Die älteste Tochter Anita blieb, mittlerweile verheiratet, in Deutschland. Als sie vor einigen Jahren – kurz vor ihrem Tod – das Rittergut noch einmal besuchte, brachte sie Fotos mit, anhand der den Besuchern am Samstag die einstige Pracht des Gutes gezeigt werden konnte. Ihnen wurde auch erläutert, wie das Gut im Zuge der Bodenreform aufgeteilt wurde. Neubauern-Familien erhielten nicht nur das Land, sondern auch Nebengebäude auf dem Hof, die bis heute bewohnt sind.

Das Herrenhaus jedoch sollte 1948 – als Zeichen der Vernichtung des Landadels – abgerissen werden. Die Kleingeraer und ihr damaliger Bürgermeister verhinderten das, argumentierten, dass Wohnungsnot herrsche. Elf Wohnungen entstanden im einstigen Herrenhaus. Im Erdgeschoss zogen das Gemeindeamt, der Kindergarten und die Mütterberatungsstelle ein.

2013 musste das Herrenhaus erneut gerettet werden. 1994 gab die Gemeinde Kleingera, die bis zu diesem Zeitpunkt in das Herrenhaus investiert hatte, ihre Selbstständigkeit auf. Kleingera wurde nach Elsterberg eingemeindet. Die Stadt Elsterberg gab das Haus – unter Vollvermietung – dem Verfall preis. So zogen die Mieter nach und nach aus – bis auf eine, die heute noch dort wohnt und am Samstag auch als Zeitzeugin berichtete. Als einem Anbaut an das unter Denkmalschutz stehende Haus der Abriss drohte, übernahm ein Förderverein das Gebäude von der Stadt für einen symbolischen Euro und ist bis heute um den Erhalt bemüht – außerdem um die Bewahrung der Geschichte. Bis heute melden sich, hochbetagt, Zeitzeugen.

Es war eine rundum gelungene Veranstaltung.


Geschichte eines Pflichtjahrmädels im Rittergut Kleingera

Geschichte eines Pflichtjahrmädels im Rittergut Kleingera

Rosa Schlegel

Pflichtjahrmädel im Kleingeraer Rittergut vom 01.04. – 12.11.1940

Der Sommer 1940 in Kleingera

Rosa Gordzielik kommt aus Plauen nach Kleingera, um den Mitgliedern des „Vereins zur Erhaltung des Rittergutes Kleingera“ von ihrer Zeit als Pflichtjahrmädel zu erzählen – damals hieß sie noch Schlegel und wurde von allen nur Rosel genannt. Einen Teil ihres Pflichtjahres – vom 1. April bis zum 12. November 1940 – hatte sie bei der Familie Speck absolviert, den letzten privaten Gutsbesitzern.

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Erinnerungen

In Kleingera kam die Plauenerin zum ersten Mal mit dem Reichtum der Landherrschaft in Berührung. Das Kleingeraer Herrenhaus verfügte damals über eine Heizungsanlage, Bäder und Toiletten mit Wasserspülung, berichtete die Seniorin. Im Bad, das zum Schlafzimmer des Gutsbesitzer-Ehepaares gehörte, habe sie  zum ersten Mal in ihrem Leben ein Bidet gesehen. „Ich habe mich verwundert gefragt, wozu so ein Ding wohl gut ist“, erinnert sich die Plauenerin heute. Victor Speck, da ist sich Rosa Gordzielik sicher, besaß sogar ein Auto. Allerdings sei das gleich zu Beginn des Krieges von der Wehrmacht konfisziert worden. Von diesem Auto wurde der Plauenerin nur durch das Gesinde erzählt.

Irritiert war sie damals  über den unterwürfigen Ton, in dem man in Kleingera von und zu der Herrschaft sprach. Auch Rosel Schlegel sollte die Frau des Rittergutsbesitzers mit „gnädige Frau“ ansprechen. „Aber das kam mir nicht über die Lippen. Ich habe immer nur Frau Speck zu ihr gesagt. Das erste Mal hat sie da schon etwas verwundert geguckt, es aber akzeptiert.“ Da allerdings war die Plauenerin längst ins erste Fettnäpfchen getreten. „Ich kam in Kleingera an und klingelte am Hauptportal. Ich wusste doch nicht, dass nur die Familie des Gutsbesitzers und ihre Gäste das Haus durch diesen Eingang betreten durften. Wir anderen mussten den Kücheneingang nehmen.“

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Das Pflichtjahr sei so angedacht gewesen, dass man ein Mädchen für den befristeten Zeitraum in seine Familie aufnimmt, wo es die Hausfrau bei deren Aufgaben unterstützt. Rosa Schlegel  wurde nicht in die Familie Victor Specks aufgenommen, sondern in die Küche weiter gereicht, wo sie unter der Obhut der Mamsell vielfältige Aufgaben erledigte.

Noch heute erinnert sich Rosa Schlegel gern an die Pracht des einstigen Herrenhauses. „Das Haus war wundervoll. Man kam als erstes in eine riesige Halle. Von dort ging es rechts in die Bibliothek mit ihren langen Regalen voller Bücher. Es gab schöne Sessel. Und ich weiß noch genau, wie ich dachte, dass ich mir am liebsten sofort ein Buch heraus nehmen und losschmökern möchte. Aber das ging natürlich nicht.“ Rosa Schlegels Alltag in Kleingera war von Arbeit geprägt.

Aller 14 Tage bekam sie in der Regel einen Nachmittag frei. Nach dem Abwasch an jenen Sonntagmittagen beeilte sie sich, um das Postauto zu erwischen, das nach Netzschkau fuhr. 4, 5 Personen konnte dieses transportieren. So kam Rosa Schlegel zum Bahnhof, von dem aus sie mit dem Zug nach Plauen fuhr.  „Zwischen 15 und 16 Uhr war ich daheim bei meiner Mutter in meiner vertrauten Umgebung. Am nächsten Tag musste ich um 7 Uhr meinen Dienst im Rittergut wieder antreten. Ich fuhr mit dem Zug von Plauen nach Netzschkau und von dort mit dem Bus nach Kleingera.“ An solchen Montagen begann Rosel Schlegels Dienst eine Stunde später als gewöhnlich.

Normalerweise standen die Arbeiter der Specks 6 Uhr auf. Auch Rosa Schlegel. „Dann bin ich als erstes die Wiese runter gerannt und habe die Hühner raus gelassen.  Specks hatten über 100 Hühner, die in einem Haus untergebracht waren, das auf der Streuobstwiese stand. Wenn ich von dort zurück kam, haben wir erst einmal alle zusammen in der Küche gefrühstückt. Die Herrschaft saß natürlich nicht mit am Tisch.“

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Im Anschluss an das Frühstück gingen die verschiedenen Arbeiten los. Bis zum Abend wurde die Arbeit auf dem Rittergut zwei Mal unterbrochen. „Mittags um 12 haben wir warm gegessen. Es gab oft Eintopf. Die Mamsell hat sehr lecker gekocht.“ Für die Herrschaft im übrigen nicht extra. Die aß zwar nicht mit den Arbeitern am großen Tisch in der Küche, sondern ließ in ihrem eigenen Esszimmer auftragen. Doch vom Essen her gab es keinen Unterschied.

„Nachmittags wurde Kaffee getrunken. Dazu gab es Kuchen –  die Mamsell buk immer die großen runden, die in der Backstube der Bäckerei Müller rausgebacken wurden, oder Brot – zum Beispiel mit Marmelade“, erinnert sich Rosa Gordzielik.

Zu Rosa Schlegels Aufgaben gehörte das Servieren.  Das Frühstückszimmer der Specks, das sich im kleinen Anbau mit den Säulen und dem halbrunden Balkon befand, beschreibt sie so:  „Es war einfach wunderbar. Weiße, mit Gold verzierte Schleiflack-Möbel, die Stühle hatten dunkelblaue Samtbezüge, es gab einen dunkelblauen Teppich, in den Vitrinen stand hauchdünnes englisches Porzellan…“ An dieses Frühstückzimmer schloss sich in Richtung des Küchenanbaus das eigentliche Speisezimmer der Familie mit den vier großen Fenstern an. Zwischen dem Speisezimmer und dem Küchenanbau ging eine Treppe in den Garten. Ebenerdig, ehe man links das Haus Richtung Garten verlassen hat, befand sich ein Wasserspülklosett, das das Gesinde benutzte.

Auf dem Gutshof gab es neben den Hühnern auch Pferde, Tauben, Rinder und Schweine, viele Felder und auch Wald. Dafür, dass der Gutsbetrieb reibungslos funktionierte, sorgten neben dem Gutsbesitzer ein Inspektor, ein Verwalter und ein Vogt.

Der wunderbare Garten, der sich vom Haus zur Straße und zur Streuobstwiese hin erstreckte, wurde von zwei Gärtnern gepflegt. „Ich weiß noch genau, wie er angelegt war. Kein Unkraut war zu sehen. Die Kieswege verlockten zum Spazierengehen.“

Wenn es besonders viel Arbeit auf dem Gut oder auch im Herrenhaus gab, kamen Dorfbewohner zum Helfen. Rosa Schlegel standen in ihrem Pflichtjahr –  gesetzlich geregelt –  als Entgelt 18 Mark monatlich zu. Zuzüglich kostenfreier Logis und Verpflegung. „Specks waren großzügig. Sie haben mir 20 Mark gezahlt.“ Die Arbeit, die sie dafür erledigte, war vielseitig, wenn auch neu und ungewohnt für eine Städterin. Sie reichte vom Servieren über das Eier abnehmen und Putzen bis hin zu Küchen– und Erntetätigkeiten.

So sehr Specks auch auf den Rangunterschied achteten, sie seien human gewesen.  Rosa Gordzielik: „An einem Tag kamen polnische Fremdarbeiter, die dem Gut zugewiesen worden waren. Sie standen in der Küche –  sehr arme Leute, scheu, schlecht angezogen. Wir haben sie erst einmal mit an unseren Tisch genommen und ihnen zu essen gegeben. Das aber war verboten im Nazideutschland. Einen Tag später stand deshalb dann auch die SS in der Tür. Frau Speck hatte das mitgekriegt und kam in die Küche. Sie fragte, was denn vorgefallen sei. Und als die SS-Leute es ihr sagten, meinte sie ,dann verhaften sie mich am besten auch gleich, denn ich habe mit am Tisch gesessen‘. Das hat nicht gestimmt. Die Herrschaft aß nie mit ihren Angestellten und Arbeitern.  Aber die SS-Leute sind abgezogen und haben uns in Ruhe gelassen. Das Ganze hatte für uns keine Konsequenzen. Das habe ich Frau Speck hoch angerechnet.“

Etwas, was sich Abend für Abend auf dem Gut wiederholte, hat Rosa Gordzielik bis heute nicht verstanden. „Immer um 18 Uhr zum Glockenläuten kamen die Kleingeraer, um sich in der Gutsküche ihre Deputatmilch abzuholen. Die Mamsell stand dann mit einer großen Kanne da und hat die Milch in die Krüge der Menschen gefüllt. Wir aber haben dann wieder bei den Bauerngütern des Dorfes Milch geholt. Warum das so war, weiß ich nicht.“ Hatten alle Kleingeraer ihre Milch, war auf dem Gut Zeit fürs Abendbrot. „Danach, wenn wir  alle Tagesaufgaben geschafft hatten, konnten wir uns vor dem Schlafen gehen noch ein wenig in unser kleines Wohnzimmer setzen.“
In Nazi-Deutschland durften Kinder auch nur bis 20 Uhr allein, ohne Begleitung Erwachsener auf die Straße. Weil sie gegen diese Verordnung verstieß, handelte sich Rosa Schlegel gleich zu Beginn ihrer Zeit in Kleingera eine Verwarnung ein. „Ich war gerade auf dem Gut angekommen und wollte meinen Eltern mitteilen, dass es mir gut geht. Den Briefumschlag samt Marke hatte ich schon von zu Hause vorbereitet mitgebracht. Nach Arbeit und Abendessen wollte ich ihn zum Briefkasten bringen. Der war damals am Bürgermeisteramt angebracht. Das Haus stand nur ein paar Meter oberhalb des Gutshofes an der rechten Straßenseite. Als ich ihn einwarf, schlug die Turmuhr des Herrenhauses gerade 20 Uhr. Ich war also erst kurz nachher wieder auf dem Gutsgelände. Dafür wurde ich verwarnt.“

Viel Zeit verbrachte Rosa Schlegel in der Rittergutsküche, die vom Hof aus gesehen links an das Herrenhaus angebaut war. „Diese große Küche mit ihrem riesigen Herd und dem großen Esstisch hat mich begeistert.  Ein Teil des Raumes war immer auch für die kleinen Küken reserviert, die reingeholt wurden, wenn es draußen zu kalt für sie war. Das war sehr niedlich.“

Kam man von der Küche ins Haus, habe es einen großen Klingelkasten gegeben. Die Dienstbotenklingel. Rosa Gordzielik: „Dort waren alle Räume aufgeführt. Hat jemand von der Herrschaft geklingelt, wurde angezeigt, in welchem Raum er gerne jemanden vom Personal sehen will. Dann ist am Klingelkasten das Schild des Raumes runtergefallen, in dem geklingelt wurde, gleichzeitig ertönte ein Rufgeräusch.“

Zum Tag des offenen Denkmals, am 11. September 2011, kam Rosa Gordzielik erstmals wieder nach Kleingera. „Nach 71 Jahren sah ich das Gut  wieder. Ich war schockiert. Als mein Neffe im Gutshof das Auto stoppte, habe ich gesagt, dass ich am liebsten gar nicht aussteigen möchte. Der Anblick des Hauses war einfach furchtbar“, sagt die Seniorin. „Dieses Haus ist nur noch ein Schatten seiner selbst und hat nichts mehr gemeinsam mit dem prachtvollen Gebäude, das ich 1940 kannte.“

10. Oktober 2011

Aufgeschrieben von Daniela Hommel-Kreißl

Autorisiert von Rosa Gordzielik

Die geschichtliche Entwicklung der Ortschaft Kleingera

Die geschichtliche Entwicklung der Ortschaft Kleingera

Kleingera und seine Geschichte bis 1954

600 – 1100    erste Anlage des Dorfes – Runddorf – von Slawen gegründet; damals hieß der Ort Goryn, Goren, Gora, Göraw (Bergort). Das Schicksal des Dorfes und der Herrschaft Kleingera ist eng mit der Herrschaft Elsterberg verbunden. Das bedeutete für die Bauern hohe Frondienste und Zinsabgaben.

1366  älteste Urkunde von Kleingera und steht im Zusammenhang mit einer Stiftung von einem Altar in der Schlosskapelle zu Elsterberg.

1448  erste Erwähnung des Rittergutes als Vorwerk im Dorf Goryn, das Kurfürst Friedrich v. Sachsen an Heinz v. Wolframsdorf leiht mit 7 besetzten und unbesetzten Gütern

1480 besitzt Kleingera 13 Bauerngüter und die Herren von Bünau fassen Fuß

1522 der Pfannenstiel – ein Name, der auf Bergbau hinweist – wird das erste Mal urkundlich erwähnt

1633 während des 30-jährigen Krieges bittet Heinrich von Bünau auf Kleingera den Kurfürsten um einen Schutzbrief für Kleingera, Scholas, Tremnitz und Noßwitz, die durch feindliche und schwedische Armeen ausgeplündert seien

1715  werden 18 Feuerstätten, ein adliger Hof, eine Schäferei und 9 Häuser in der Reuth und Pfannenstiel gezählt

20.06.1786  kauft Johann Gottfried Döhler das Rittergut

1803  wurde das Geld für eine Feuerwehrspritze und die Kosten für ein Spritzenhaus festgesetzt

1850  Straßenbau Netzschkau – Kleingera – Sachswitz mit Anschluß an die 1848/49  erbaute Landstraße Greiz – Elsterberg. Bei dieser Gelegenheit wurden beim Pöhl einseitig geprägte Münzen aus dem Jahr 1250 gefunden

1852 Brand im Rittergut, wobei Stallungen und Scheunen abbrannten – das Herrenhaus blieb verschont

1869 ging das Rittergut in den Besitz von Viktor Löbering über

1898 Bau einer Schule, die bis 1968 genutzt wurde

1906 der Kaufmann Paul Speck kauft das Rittergut

1919  an die Hauptamtsmannschaft Plauen ergeht Antrag auf Errichtung eines Kriegerdenkmals

1920 wird durch die Freiwillige Feuerwehr das Denkmal für die 17 Gefallenen des
1. Weltkrieges (1914-1918) geweiht; um den Stein wurden 17 Linden gepflanzt (sinnbildlich für jedes Gefallenen ein Baum)

1928  entsteht eine Arbeiterturnhalle

1935 zählt der Ort im Zuge der Industrialisierung 480 Einwohner

April 1945 amerikanische Truppen nehmen Besitz von Kleingera

Juni 1945 die Russen übernehmen die Macht im Dorf, der Rittergutsbesitzer Speck wird enteignet

20.10.1945 Bodenreform – das Land wird an Neubauern, Kleinbauern, Arbeitersiedler sowie Gemeinde aufgeteilt; der Gutshof mit seinen Wirtschaftsgebäuden in 5 Neubauernhöfe zergliedert

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1948 das Herrenhaus soll auf Beschluss der Landesbodenkommission  abgerissen werden, Gemeindevertretung und Einwohnerschaft kämpfen um den Erhalt des Herrenhauses

1954 Kindergarten und –hort werden im Herrenhaus eröffnet und für 12 Familien wird Wohnraum geschaffen; in den späteren Jahren wird das Gemeindeamt und eine Sanitätsstelle für die Gemeindeschwester und Mütterberatung etabliert